DIALOG & TEXT

PERLEN

von
Kunstvermittler Tommy Schmidt

Krönlein ist also mal wieder in Hochform – gut so.

„Perlen liegen nicht so einfach rum, da muss man schon ran an die Auster und mit einer Stricknadel kommst du da nicht weit“, sagt Krönlein. Manchmal brauchen Perlensucher mehr Fantasie, um den Glanz der Perle frei zu rubbeln als die Auster brauchte, sie auszubrüten.

Zum Beispiel die Windmaschine: Den Wind sieht man nicht, aber wild zerzauste Frisuren sieht man, fliegende Hüte, geblähte Backen!
Eine wahre Perle wobei sich ihre Schönheit über die von ihr bewegte Umgebung offenbart.

Da, eine weitere Perle. Die Auster präsentiert diese stolz, aber zu deren Geschichte schweigt sie.
Egal, ich verlange Gewinn, ich mache mich nicht auf den Weg zur Kunst und kehre mit leeren Taschen wieder um.
Krieg ich keine Geschichte, mache mir selber eine:
Ich sehe einen galaktischen Strudel, der taumelnde Sonnen verschlingt und dabei so lange wächst, bis sich weitere Strudel aus ihm herauslösen. Wow.
Die Geschichte der Auster:
Die Trauer ihres Großvaters über den Verlust seines Geburtshauses zugunsten eines EDEKA. Gut.
Aber meinen Strudel lasse ich mir nicht mehr nehmen.

Dein Klecks.
Immerhin: eine Perle mit dem wohlverdienten Prädikat „beachtlich“ hat überlebt, nachdem meine Sehmaschine hunderttausend seiner Bildreize den weiteren Zutritt verweigert hat. „irrelevant“ lautet die knappe Begründung. Sehmaschinen sind noch nicht mal künstlich intelligent, muss man wohl dazusagen. Aber – auch das immerhin – hab ich hingeguckt, denn ohne Hingucken und gewinnen wollen niemals eine Perle.

Wenn es unendlich viele Möglichkeiten gibt, kann es sein, dass neben tausenden Scheinperlen, Altperlen und Fastperelen nur eine davon die wahre Perle ist. Die anderen werden untersucht oder auch ungesehen ausgeschieden. Aber es kommt auch vor, dass die Auster ihre eigene Perle gar nicht als Perle erkennt. Da kann ihr ein Perlensucher durchaus mal auf die Sprünge helfen, sagt Krönlein.

Oder ein Perlenfinder trachtet danach, die Perle zu beherrschen und zu verformen, mit eigenen Werten und Geschichten aufzuladen. Wieder ein anderer besamt die Auster mit seiner eigenen Agenda! Wehe der Auster, die da nicht rechtzeitig ihre Schale verrammelt.

„Aber das alles passiert bitte nicht ohne deinen inneren Vernehmungsbeamten“, doziert Krönlein mit erhobenem Zeigefinger: „Das ist wie bei einem guten Tatort: Wenn Sie diesen Mann noch nie gesehen haben, dann wissen Sie nicht, ob der böse ist. Wichtig ist vielmehr, ob er von oben oder von unten kam und ob das vor 19:11 Uhr oder danach war. Interpretieren und bewerten tun Sie, wenn Sie sich der gesamten Bildinhalte vergewissert haben. Googeln Sie >gewaltfreie Kommunikation< Also, wenn Sie wirklich an der Perle und an dem, was die Perle zu bieten hat, interessiert sind, versteht sich.“

„Was Kunst ist bestimmst du!“ An dieser Stelle wird Krönlein absolut. „Du musst es dir natürlich erlauben“. Sicher, die Mafia lässt sich nicht gerne ins Geschäft reinreden, Die Beweislast liegt aber nun mal bei den Schlaubergern, Mafia hin oder her. Und unter den Schlaubergern findest du jede Menge halbgebildete Perlensucher und unreflektierte Austern. Vielleicht hast du ja gar keinen Bock auf die Bestimmernummer, aber dann wundere dich nicht, wenn dein Gewinn am Ende gar keiner war, wenn du verödest angesichts gefälliger Schönheiten, wie fotografiert mit dem iPhone 6.

Ich erkläre Leute zu Austern, wenn sie Dinge tun, die Austern tun. Da wird nicht lang gefragt. Ein Mann geht zu Fuß, immer und überall hin. Und wenn ihm ein Auto im Weg steht, dann läuft er über das Auto drüber. Eine Perle, also eine Auster, klare Sache. Wenn es um Perlen geht, da verstehe ich vielleicht auch mal Spaß, versteht mich richtig. Aber von meiner Deutungshöhe holt mich so schnell keiner runter. Übrigens: Krönleins Senf dazu interessiert mich nicht die Bohne.

Großvater sagte, Perlen kommen von Können. Dagegen habe ich schon als Kind protestiert. Können, pah, Können ist hinterherlaufen. Aber Künstlich, Künstlich ist entdecken. Künstlich ist, unbewiesene Behauptungen aufzustellen. Künstlich ist, woran künstliche Intelligenzen scheitern. Künstlich macht, dass sich Lehrbücher freiwillig in den Schredder stürzen. Künstlich nagt an Fundamenten.

Krönlein meldet sich zurück mit was, was gar nicht nach einer Perle aussehen mag: eine Art durchlöcherter Fladen. Perlmutten zwar. Aber der Gestalt nach eher etwas, was die Auster nicht bei sich behalten mochte. Aber eben doch eine Perle, übrigens eine mit dem wohlverdienten Prädikat „subtil“. Man sieht nur nicht, wo sie anfängt und wo sie aufhört. Fragil und unentschlossen am Rand, verklumpt in Richtung Mitte, Krater geplatzter Blasen da und dort. „Die fungine Pilzperle. Nichts für Anfänger. Unter der Oberfläche, da geht es munter weiter, doch davon sieht man nichts. Auch die Auster hat es aufgegeben. “Eine potente Pilzperle kann unzählige Perlen hervorbringen, indem sie einfach sagt, wer sie ist und was sie macht und warum und so.“ Ach … echt? Krass! Bei aller Bescheidenheit: ich kann ein Lied davon singen.

Ach ja, noch zu mir: Ich bin eine Super-Auster. Ich sauge anderer Austern Perlen ein und mache daraus eigene Perlen. Da staunt selbst Krönlein. Besser wissend als ich allerdings, dass die Perle, die ich da verpimpedelt habe, ihrerseits schon eine Verpimpedelte gewesen sein kann. Ist das wichtig? Nein, das ist nicht wichtig.

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