DIALOG & TEXT

Tontafeln
fürs KloHäuschen

oder eine etwas andere Laudatio

LITTOPIA
Silke Tobeler & Kathrin Assauer

Signatur KHBiX Die Räume

Was sind diese Tontafeln? Ich stehe auf dem Schlauch!
Die Tontafel mit der Signatur „BM 21946“ ist Teil der sogenannten Babylonischen Chroniken, die über Jahrhunderte hinweg in kurzer und prägnanter Weise unter anderem wesentliche Ereignisse für jedes Regierungsjahr babylonischer Könige bewahrten. Der historische Wert dieser chronologisch geordneten Aufzeichnungen (auch als Annalen bezeichnet) ist außergewöhnlich groß, was vor allem an zwei Faktoren liegt: Zum einen verzichten die ungenannten Chronisten weitgehend darauf, das Weltgeschehen durch das Eingreifen der Götter zu erklären. Zum anderen werden die Ereignisse oft erstaunlich objektiv dargestellt –
auch Niederlagen und Rückschläge werden nicht verschwiegen, was für den Alten Orient recht ungewöhnlich ist.

Und Tontafeln fürs KloHäuschen ist eine etwas andere Anthologie, eine Blütenlese aus eigenen Texten, farblich auf das KloHäuschen abgestimmt und Texten der KH-Biennalen selbst.
Verwoben, vernetzt und zur Laudatio gepuzzelt.
Ein Teil des Puzzle: Space is the case, das Jahresmotto des GEH8-Kunstraum und Ateliers in Dresden im letzten Jahr.
Untertitel- Sternchen-Topie – Topie, aus dem Griechischen entlehnt, bedeutet Ort, Stelle oder Raum.
Daraus entstand ein interdisziplinäres Projekt mit KünstlerInnen, Komponisten, VokalistInnen und AutorInnen.
Ein Buch- eine performative Lesung- eine Ausstellung.
Denkräume, Klangräume, Bildräume und Erzählräume.
Und es entstand LITTOPIA. Raum für Räume. Eine experimentelle Raum-Erzeugungs-Topie.

Das Alphabet der Räume – Mutatio Mobilè

F, wie Femina (Frau)

Femitnaopie

Die Öffnung. Ursprung der Welt. Eine Vulva, aus der wir ins Leben treten. Es macht wohl Angst, das Wesen, dessen Geschlecht ich angehöre. Anders scheinen Femizide nicht erklärbar. Man tötet, was bedrohlich erscheint. Was genau macht Angst? Dass wir aus ihr kommen? Sie die Macht hätte, genau das zu verhindern?

Feminatopie. Nur ein Raum von vielen. Mutatio Mobilé – ein sich immer weiter verwandelndes Alphabet der Räume.

Und dann da kommt das KloHäuschen in den SPIELRAUM.
Zufällig von außen. Wie es die Brownsche Bewegung physikalisch beschreibt. Teilchen,
nicht groß, doch groß genug und sichtbar, um anzuschieben.

Räume überlagern sich, erfahren voneinander, geben Impulse, Treffen, Telefonate.
In kontinuierlichen Kollisionen schubst es von außen umliegende Atome und Moleküle. Beleg für deren Existenz trotz Unsichtbarkeit.
Räume schubsen Räume. Ununterbrochen. Chaotisch. Vermengen sich. Vanillegelb und blau zu bunt. Farben wandeln.
Aufpassen, dass es nicht zu einem undefinierbaren Braun wird. Braun. Brown. Tautologie ist der Motor.
Formen gehen. Bekannte Nacheinanderlichkeiten stapeln sich zu Türmen.
Standard Brownsche Bewegung, die bei 0 beginnt, geometrisch für die Finanzmathematik.
Kacheln, Fugen, Pissoir und dann.
Wir puzzeln in 5 D

Tontafelpuzzle, Motiv Weltgeschehen – variabel – fürs KloHäuschen angepasst
52 Glasbausteine, weiß,
zwei gelbe
ein blauer
Am Anfang war der Raum
Zwischen den Kacheln
Und dann Zeichen. Alphabet.
Exponentielles Wachstum
Anja Uhlig hat ein Bild gelegt.
Die Nutzungsgrammatik geändert.
Neukombination, zwischen den Kacheln, Fugenflutung.
Die Gesamtheit unendlicher Kombinationen, unendlicher Inhalte.

Tontafel KHBiI 2012

Zur ersten Biennale for one, ein ReposityStand

ging es um die Ideen der Dinge der Werke, nicht die Werke selbst.

Die Orte oder Gelegenheiten dafür sind verschwunden,

doch die Ideen bewegen, als Steinbruch, als Anstoß den Kreislauf der Kunst.

N., wie Nativitas (Geburt)
Nativitastopie

Wachsen. Zunehmen. Ausdehnen. Wände zittern, ächzen, stöhnen. Äußere Hülle reisst.
Wellen überrollen den Körper. Pressen. Atmen. Sicher, dass man stirbt. Du glaubst es nicht,
aber bangst. Hältst die Hand. Wucht. Etwas rutscht. Wir geben frei. Beten, dass die Wärme
und Liebe der letzten Monate reichen, damit es alleine atmet. Schrei.

Tontafel KHBiII 2014

Zur Zweiten Biennale

So wie das KloHäuschen kein Ausstellungsort ist, so ist die KloHäuschen Biennale keine Schau der Welt-Kunst, sondern die Befragung einer solchen.

Der Ort ist ebenso unberechenbar, wie die Internationalität der Maßnahmen zu seiner Beseelung.

I, wie Ich

Ego
Me
Moi
Ichtopie

Körper. Von Kopf bis Fuß. Oder doch der Geist? Charakter? Seele? Es heißt: Man wohnt in seinem Körper. Raum ist sowohl Begrenzung (Vier Seiten. Rund. Dreieckig. Öffnung nach oben, unten, rechts und links.) als auch unendlich (das sich ausdehnende Universum). So kann sich unser kleiner Geist in den großen Körpern ausbreiten. Unsere großen Seelen, die kleinen Körper ausfüllen. Und danach …? Wenn alles vorbei ist …?

…kommt die nächste Biennale

Tontafel KHBiIII 2016

Dritte Biennale

A., wie Anthropotopie (Menschen)
Anthropotopie

Solche wie wir sind überall. Lassen uns weder von Raubtieren noch Hitze oder Eis aufhalten.
Bauen Häuser auf Stelzen im Wasser und Iglus im Schnee. Ein unbedingter Lebenswille, gepaart mit Intelligenz und einer viel zu großen Portion Rücksichtslosigkeit. Nicht an allen Stellen ein Erfolgskonzept. Bereiten Flora, Fauna, uns selbst und dem Universum großes Leid. Dringend an der Zeit, es zu überdenken. Dennoch mögen die meisten von uns den Homo Sapiens. Unverbesserliche Humanisten.

Die dritte Biennale – Biennale der vernachlässigten Lebensformen, ein Gegenentwurf zum anthropozentrischen Alltag der menschlichen Stadtbewohner. Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt sondern die liebevolle Zuwendung zum Unscheinbaren, Verworfenen und Vernachlässigten ist Thema dieser augenzwinkernden und trotz oder gerade deswegen auch sehr ernsten Biennale.

Gerade heute habe ich E nötig.
Muss ordnen und strukturieren, verbalisieren.
Mich motivieren – das Motiv.
Die Räume
Sprachverwirrung, Sprachvielfalt und Raum.
Alles wurde bereits gesagt. Verstanden?
Chaos im Kopf.
Sprache auf die Reihe bringen, in die Bahn, auf die Schiene, parallel.
Wieder zu viel recherchiert.
Wie immer.
Meine Sprache unscheinbar, verworfen, vernachlässigt,
begeht Geschwindigkeitsüberschreitungen, schlägt hart auf, wechselt die Richtung.
Geisterfahrer in den Wortbahnen.
Mein Sprachzentrum ist inkontinent,
White cube mit blau-gelben Flecken
Im Bauchraum wird weiter gebabbelt. Bekanntes neu gemischt.
Irgendwas ist immer wie immer,
alle 2 Jahre.

Tontafel KHBiIV 2018

Zur Vierten Biennale

„Gesundheitsinspektor im Niemandsland“,
innere Ordnung – das Raster – Reinlichkeitsästhetik „inside the white cube“.
Erinnerung an Bedeutungen durch Volumen im Raum – als Versuch einer Volumetrie ohne Bedeutung.
Ein Raumstück –
durch Aussortieren und Wegschneiden entstandener Raum (…)“

Setzkasten, Verschiebungen, Stand der Dinge? Handsatzverschiebungen, Blindmaterial tritt hervor, Fugen als Wegemuster, Fugendurchschüsse, Handsätze, Spatium der Zwischenraum

Zwischenräume-

Foucault spricht von Heterotopien: Anstatt Kunstorte im herkömmlichen Sinne sind es stillgelegte Kirchen, Ruinen, Schulen, Kliniken, Bordelle, oder eben Pissoirs. (…) Orte außerhalb aller Orte, andere Räume, Zwischenorte und Gegenplatzierungen….

N., wie Notopie (Latein), oder O., wie Ochitopie (griechisch) (beides bedeutet Nein)

Notopie
Ochitopie

Wir verweigern uns. Setzen Grenzen. Bis hierhin und nicht weiter. Stopp. Ist damit alles festgesetzt? Wann, unter welcher Bedingung kann die Mauer fallen? Ihr seid dran. Müsst ein Angebot machen. Oder einfach akzeptieren, dass es an dieser Stelle nicht weitergeht.

Tontafel KHBiV 2020

Zur Fünften Biennale

KH sucht sich Verbündete und kuratiert seine Biennale diesmal einfach selbst. Und es sucht KünstlerInnen, die noch frei ihre Arbeit machen – und die so mutig sind, das, woran ihnen wirklich liegt, mit uns zu teilen. Es fragt sie direkt nach ihrer Kunst. Es fragt sie nach der aktuellen Arbeit – und die kann auch noch unfertig sein – und danach, wofür ihr Herz schlägt, egal ob das „nützlich“ ist oder nicht. „An welcher Arbeit bist Du grad dran?“ „Was berührt Dich daran?“ „Was interessiert Dich daran?“

C., wie Core (Kern)
Coretopie

In der Frucht. Der Solar-Plexus. Das Powerhouse. Der Keim, aus dem alles wächst. Erdkern und Zentrum. Eine Eisenkugel inmitten unseres Planeten. Fest. Man sagt, sie könne nicht schmelzen. Hoffentlich.

Tontafel KHBiVI 2022

Sechste Biennale Grand Tour

Biennale = Alle 2 Jahre, in den geraden Jahren Gegenbewegung zu Venedig, Istanbul oder Lyon. Und nun schwimmen die Großen parallel mit KH.

Das KloHäuschen ist sicher: der Grund kann nur sein, dass sie endlich im gleichen Jahr zusammen mit der KloHäuschen-Biennale stattfinden wollen!

Denn die ca. 40 beteiligten Künstler* der Biennale zeigen ihre Arbeit jeweils an einem von ihnen ausgewählten Ort in oder um München. Die ganze Metropole um das KloHäuschen herum wird zum „Ausstellungsraum“.

Bleib

Diaminitopie

Was bleibt uns? Wer ist geblieben? Bitte bleib. Bleib an dieser Stelle.
Verliere Zeit und Raum, den Abstand.
Ein hartes Einschlagen meiner Handkante,
nun auf die kalten Kacheln.
Neukombination.
Kombination aller Widersprüche vereint.
Wir schwimmen nun parallel.
Moleküle am Übergang zum Rückenmark.
Schwimme von Rand zu Rand, von A nach B.
Die Bahn nach der Hälfte geteilt und immer wieder,
dann würde die Strecke unendlich, unendlich paradox. Teilstreckenparadoxon.
Teilungsparadoxon.
Raum teilen.
Mit Brot und Fisch hat es auch funktioniert.
Ist das logisch?
Oder dann
Brot und Granaten, beides unendlich teilbar.

Oder besser Teilstreckenparadoxon, damit die Granate ihr Ziel nicht erreicht.

Immer und immer wieder, nicht.

Tontafel KHBiVII 2024

Siebte Biennale Die Räume:

Kein Nein-Ort, nur ein Entziehen der Anordnung, Liquid Room, Liquid Modernity?

Nutzungsgrammatik aufgehoben, es gibt keine Raumlegastheniker.

anders nochmal anders, besser anders und dazwischen.

Zwischen den Kacheln.

Raumgeburten

Frei, Hebammenfrei, Hausgeburt, Ausgeburt? Mehrlinge (inzwischen 33 an der Zahl),

auf eigene Verantwortung und Risiko!

I., wie Insidiarum (Handlung)

Insidiarumtopie
Ort für Spiel. Dabei geht es um Verantwortung. Unser Tun führt zu Konsequenzen. Ob richtig oder falsch wird in kühlen, nüchternen Zimmern ausgelegt mit Linoleum, oder eine Täfelung aus Holz und manchmal mit Kacheln gefliest, entschieden. Danach geht man bestenfalls durch die Tür raus ins Freie. Manche wandern hinter Gitter in ein sehr kleines Zimmer.

Und nun sind wir hier: wer schubst hier nun wen und wohin?

Pogotanz der Räume

SOSOSO ARTApart ein AlmGiG im Raum für Empfangshallen und digitale Gartenlauben in AUSTIN – Texas? – DG – Dachgeschoss? Wo wir schon bei Räumen und Bauten sind… Die Einstürzenden Neubauten verkünden: Gott hat sich erschossen, ein Dachgeschoss wird ausgebaut! Gib 8! WERKen auf der Alm, Residieren im KunstKiosk oder auf dem streitfeld?
Auge um Auge, Ohr für Ohr – Ear Ear! Nein, Depressionen wollen wir nicht. Kein Raum dafür. Viel lieber durchs iRRland irren, denn wir sitzen ja eh in der ersten reihe. Hoffentlich passiert uns kein Schnitzer im Studio, Jedenfalls haben wir uns auf den Weg in den Süden gemacht. Publizieren – Ja! Publizieren! Wir mimen im Raum für Kultur und parken in der Garaasch mezzanin. Der Retreat findet in der Montello Foundation statt. Hauptsache unsere Nasen wachsen nicht wie die des Pinokio.
Luft holen im Kunstbüro oder in den Arkadien. Die GEDOK sucht FOE, bis wir die Quelle, unsere Source gefunden haben.

Eine Schwimmblase, lebensgroß, zieht ihre Bahnen, krault in Resonanz. Singt tonlos wes Lied und verteilt ihre Brote.

LITTOPIA – das sind Kathrin und Silke. Inhalt und Form. Philosophie und Klang. Die eine will forschen, ergründen. Die andere erzählt von der Welt. Sie wechseln. Changieren. Beide sind Schwimmerinnen. Folgen der Dadaistischen Tradition. Kurt Schwitters Ursonate als Vorbild.
Texte vortragen jenseits der Wasserglaslesung. Und wenn… Dann nur wie Meredith Monk – die mit Wassergläsern summt. Weibliche Ikonen: inspiriert von Laurie Anderson und Anne Clarke.

Silke Tobeler, freischaffende Autorin und Kuratorin, in Singapur sozialisiert, Hebamme für Texte und weibliche Blicke auf Kunst, Kultur und Literatur.
www.female-gaze.blog

Kathrin Assauer, Autorin, Kuratorin und Kulturmanagerin im GEH8 Kunstraum liebt das Spartenübergreifende, Räume, die sich ineinanderschieben.
www.GEH8.de

www.LITTOPIA.de

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